„Perspektiven zu verrücken, um die verborgenen Schichten alltäglicher Wirklichkeiten sichtbar zu machen, gehört zu den grundlegenden Kennzeichen der medienkünstlerischen Arbeit von Maria Vedder. Seit den 1970er Jahren spürt sie den vielfältigen Erscheinungsformen des Sichtbaren nach. Neben den frühen performativen Videoarbeiten waren es arrangierte Bildwelten mit fabelhaften Figuren in bühnenähnlichen Raumsituationen, mit spielerischer Ironie inszeniert.
In späteren Werkgruppen tritt das Interesse am Dinglichen in den Mittelpunkt. Ein Haus, eine Straße, eine Fensteröffnung mit windgeblähter Gardine, der aus einem Schornstein aufsteigende Rauch – es sind vor allem solche im Wortsinn nichts-sagenden Motive, bei denen Maria Vedder mit einem untrüglichen Instinkt für das Unsichtbare hinter dem Sichtbaren narrative Potenziale entdeckt und in minimalen Seh-Episoden auslotet.
In den letzten Jahren setzt die Künstlerin ihre Spurensuche in der visuellen Erscheinungswelt durch eine Erforschung der dieser zugrundeliegenden systemischen Zusammenhänge fort. Die Mehrkanalinstallationen zu Chaostheorie, Elektrosmog oder Massenmedien verweisen auf eine unsichtbare strukturelle Logik, die die Welt des Sichtbaren im Innersten zusammenhält. Im Vergleich zur phänomenologischen Arbeitsweise in den früheren Videos kommt in dieser Auslotung der Tiefendimensionen des Sichtbaren ein analytischer und sezierender Blick zum Tragen, der Wirklichkeit als Schichtmodell begreift und in der Thematisierung systemischer Verbindungen dem Hochgeschwindigkeitsrausch digitaler Medienwelten eine größtmögliche Aufmerksamkeitsverdichtung gegenüberstellt.“
Anja Osswald